2015-01-Hockenheim-0303 - page 13

Zusammen basteln,
bohren und plaudern:
Das Repair Café ist mehr
als ein Ort, an dem Gegen-
stände repariert werden.
sofort mit anpacken: Der neue Stoff
muss zugeschnitten und über die Bank
gespannt werden. „Mir macht die Arbeit
hier Spaß“, erzählt Gisela, während sie
das Maßband ausrollt, „es ist schön,
anderen Menschen zu helfen.“
Nicht alles gelingt
Im größten Raum des Repair Cafés wird
gebohrt, geschraubt und gefachsim-
pelt. Überall stehen Geräte mit freige-
legter Elektronik. Ich treffe Gerhard,
Bauingenieur und Hobby-Reparateur.
Er zeigt mir, wie man meinen kaputten
Föhn auseinandernimmt. Kurz bevor
wir das Innenleben des Geräts zu Ge-
sicht bekommen, stoßen wir auf eine
spezielle Schraube. Obwohl es im Re-
pair Café mehr als 50 unterschiedliche
Schraubenzieher gibt, finden wir kei-
nen passenden. Nicht immer gelingt
die Reparatur. „Die Teilnehmer gehen in
der Regel trotzdem mit einem Lächeln“,
sagt Matthias Bohling, einer der Be-
treiber des Repair Cafés. Die meis-
ten seien froh, es versucht zu haben.
Interesse am Reparieren wecken
Ich sehe mich um und treffe Ingeborg.
Während sie mit ihrem defekten Toas-
ter wartet, verfolgt sie aufmerksam
die anderen Reparaturen. „Ich tüftle
gerne und freue mich, Neues zu ler-
nen“, erzählt sie. Zum Reparieren er-
mutigen und Wissen teilen – auch das
sind Ziele der Repair Cafés. Das erste
Reparatur-Treffen veranstaltete die
Umweltjournalistin Martine Postma
2009 in Amsterdam. Seitdem hat sich
die Idee auf der ganzen Welt verbreitet.
Der Besuch eines Repair Cafés ist meis-
tens kostenlos. Oft wird aber in einer
Spendenbox Geld für Miete, Werkzeug
und Material gesammelt. Die meisten
Teilnehmer gäben gerne ein paar Euro,
sagt Matthias Bohling. In vielen Repair
Cafés werden die Gäste auch mit Kaffee
und Kuchen versorgt.
Einfallsreiche Lösungen
Nächster Versuch: Mein zweites Repa-
raturobjekt ist ein PowerLAN-Stecker,
bei dem einer der zwei Kontaktstifte
abgebrochen ist. Der teure Stecker ver-
bindet einen Computer über das Strom-
netz mit dem Internet. Austauschen
lässt sich der Stift nicht, aber Andreas
will das Problem auf kreative Weise lö-
sen. Als Ersatzteil dient das Kabelende
eines kaputten Mixers. Kurzerhand
bohrt der promovierte Physiker ein
Loch in die Abdeckung des Steckers,
führt das Kabel hindurch, bringt eine
Zugentlastung an und lötet die Ka-
belenden an die Elektronikplatine im
Gehäuseinneren. Das Erfahrungswis-
sen für solche originellen Lösungen
hat sich der leidenschaftliche Bastler
selbst angeeignet. „Das Repair Café
gibt mir eine gute Möglichkeit, mein
Wissen weiterzugeben“, sagt Andreas.
Wir sind zufrieden mit unserem Selbst-
versuch. Mit nach Hause nehmen wir
nicht nur einen intakten Stecker und
eine neu bezogene Bank, sondern auch
viele interessante Gespräche.
Hier wird repariert
Repair Cafés in Ihrer Nähe finden Sie
unter
repaircafe.org/de
Das wird repariert
Die Klassiker
Wasserkocher, Handmixer und Staub-
sauger, aber auch Kaffeemaschinen,
Fernseher, Föhne und Kleidungsstücke
können häufig repariert werden.
Die Exoten
Ab und zu werden ungewöhnliche Ge-
genstände repariert: so zum Beispiel
eine Jukebox aus den 60er-Jahren,
ein Rasenmäher, ein Auspuff und eine
VHS-Kassette.
Die Anspruchsvollen
Schwierig ist die Reparatur bei Tinten-
strahldruckern und Kaffeevollauto-
maten, da spezielle Ersatzteile nötig
sind. Auch moderne Fernseher sind oft
zu komplex.
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